Eine Lektion zu der Frage, wie die 1946 vom Psychologen David Boder zusammengestellte Sammlung von Interviews mit KZ-Überlebenden 2009 in eine interaktive Website verwandelt wurde.
Eine Lektion bezüglich der Frage, wie die 1946 vom Psychologen David Boder zusammengestellte Sammlung von Interviews mit KZ-Überlebenden 2009 in eine interaktive Website verwandelt wurde.
In diesem Modul sollen Studierende lernen, Quellenkritik auf Audiointerviews anzuwenden, die 1946 mit inzwischen veralteter Technologie aufgenommen wurden, bevor sie digitalisiert und 2000 und 2009 im Web veröffentlicht wurden. Quellenkritik beinhaltet Fragen zur Herkunft, Echtheit und dem informativen und artefaktischen Gehalt einer Quelle. Sofern dies auf digitale, online veröffentlichte Inhalte angewendet wird, sind die Änderungen zu analysieren, die die Inhalte im Rahmen der verschiedenen Transformationsprozesse erfahren haben. In dieser Lektion wird erörtert, ob sich Relevanz und Wert eines Interviews ändern, wenn es von seinem ursprünglichen Entstehungskontext in einen Kontext der Erhaltung und letztlichen Digitalisierung überführt wird.
Eine kurze Animation erzählt in etwa 6 Minuten zunächst von den verschiedenen Veränderungen, die die Interviewsammlung von David Boder durchlaufen hat.
Anschließend werden die in der Animation nur kurz erwähnten Themen in einer Reihe von Übungen näher erläutert. Diese können entweder in Einzelarbeit oder in einer Gruppe bestehend aus 2-3 Studenten bearbeitet werden. Der Zeitaufwand liegt zwischen 30 und 90 Minuten. Darüber hinaus ist ein Kurs mit Videoanimation zu Web-Technologie mit vier Aufgaben enthalten.
Falls Sie eine vorbereitende Lektüre über David Boder benötigen, empfehlen wir Ihnen die folgenden Publikationen:
Simone Gigliotti, “The Voice As a Human Document: Listening to Holocaust Survivors in Postwar Europe”. Yad Vashem Studies 40 no.2 (2012): 217-235
Alan Rosen, „We know very little in America‘, David Boder and un-belated testimony“, In: After the Holocaust: Challenging the Myth of Silence, ed. David Cesarani and Eric J.Sundquist, (New York, 2012)
Rachel Deblinger, „David P. Boder, Holocaust Memory in Displaced Persons Camps“, In: After the Holocaust: Challenging the Myth of Silence, ed. David Cesarani and Eric J.Sundquist, (New York, 2012)
David Boder’s interview collection: from analogue to digital
David Boders Interviewsammlung: Vom Analogen zum Digitalen
Warum sich Studierende der Geisteswissenschaften mit der veralteten Technologie des Drahttonbandgeräts beschäftigen sollten, mag Fragen aufwerfen. Das Ziel besteht darin zu verstehen, wie sich die physikalischen Prinzipien der Tonaufzeichnung im analogen Zeitalter von denen der digitalen Technologie unterscheiden und miteinander in Beziehung stehen. Die Kritik an digitalen Quellen beschränkt sich nicht auf den Reflexionsprozess über den Informationswert einer historischen Quelle. Ebenso bezieht diese Kritik den Übermittler der Informationen und dessen materiellen Merkmale ein. Da digitale Informationstechnologie aus unserem Alltag inzwischen nicht mehr wegzudenken ist, ist es wichtig, die zugrunde liegenden physikalischen Phänomene zu verstehen und eine Reflexion zu der Frage durchführen zu können, wie die Umstellung von der analogen auf digitale Technik unsere Nutzung von Technologie beeinflusst hat.
Wenn man über den Wert und die Bedeutung einer im Internet veröffentlichten Quelle nachdenkt, ist es wichtig, den Kontext ihrer Entstehung zu berücksichtigen. Die vollständige Umwandlung in durchsuchbare digitale Daten birgt die Gefahr, die verschiedenen Methoden und Verfahren außer Acht zu lassen, die Forscher bei Erstellung der Daten verwendet haben. Bei dieser Aufgabe sollen die Unterschiede zwischen schriftlich zusammengefassten Berichten von Holocaust-Überlebenden und denen von David Boder auf einem Drahttongerät aufgezeichneten Berichten, herausgearbeitet werden. Beide sind online zugänglich, doch worin unterscheiden sie sich? Dabei können Sie feststellen, dass das digitale Format es ermöglicht, die Zeugnisse auf eine Art und Weise zu erforschen, die nicht möglich war, als sie noch in Archiven aufbewahrt wurden. Für die folgenden Übungen schlagen wir Ihnen vor, mit zwei Webseiten zu arbeiten (auf Englisch).
In der Animation über Boder wurden Aufnahmen von Opfern und Familien verwendet, ohne deren Identität klarzustellen. Dies soll eine Assoziation bewirken. Das Foto steht für eine Gruppe bzw. einen soziokulturellen Kontext. In gewissem Sinne wird derselbe Effekt mit Nachrichtenfilmen über befreite Konzentrationslager erzeugt, wie David Boder beobachtet hat: Die Menschen werden anonym dargestellt, ohne ihre Individualität zu berücksichtigen. Da es in dieser Lektion um Quellenkritik geht, haben wir versucht, den Kontext, in dem diese Aufnahmen entstanden, und die Namen der dargestellten Menschen herauszufinden. Die Übung fordert die Schülerinnen und Schüler dazu auf, den Kontext zu ermitteln, in dem diese Fotos aufgenommen wurden, und zudem herauszufinden, wie die Fotos in diese Animation gelangt sind.
In der Animation über Boder wurden Aufnahmen von Opfern und Familien verwendet, ohne deren Identität klarzustellen. Dies soll eine Assoziation bewirken. Das Foto steht für eine Gruppe bzw. einen soziokulturellen Kontext. Mit den Wochenschauen über die befreiten Konzentrationslager wird wie von Boder beobachtet in gewisser Weise derselbe Effekt erzeugt: Menschen werden als anonyme Gruppe unter Missachtung ihrer Individualität dargestellt.
Da es in dieser Lektion um Quellenkritik geht, haben wir versucht, den Kontext, in dem diese Aufnahmen entstanden, und die Namen der dargestellten Menschen herauszufinden. Studierende sollen in der Aufgabe nach dem Kontext forschen, in dem diese Aufnahmen entstanden, und herausfinden, wie diese Fotos in diese Animation gelangten.
David Boders Ansatz hat sich von dem eines traditionellen Soziologen, der versucht, Beweise zu sammeln, zu dem eines Ethnografen entwickelt , der die Ausdrucksformen der Menschen dokumentiert. Das unter dieser Rubrik gezeigte Filmmaterial wurde in Henonville aufgenommen, zeigt aber nur bewegte Bilder von Menschen ohne Ton. Der Ton ist auf einem separaten Medium gespeichert. In dieser Aufgabe sollen die Studierenden die multimodale Dimension einer Quelle erfassen und lernen, wie das Web den Zugang zu diesen verschiedenen Modi erleichtert. Sie sollen dabei über den Kontext der Entstehung, Erhaltung und Digitalisierung des Materials reflektieren.
Wie im Clip beschrieben, führte Boder seine Gespräche unter schwierigen Umständen durch. Häufig war es nicht einfach, einen ruhigen Bereich zu finden, in dem er mit seinen Befragten alleine sein konnte. Dies wirkte sich auf die Qualität seiner Aufnahmen und vermutlich auch auf die Länge der Interviews aus. Einen Eindruck von diesen Rahmenbedingungen verschafft ein von Yad Vashem zu den Umständen in Vertriebenenlagern gedrehtes Video.
Diese Aufgabe soll Ihnen helfen, über Vertriebenenlager als wichtigste Stätte zur „Generierung von Wissen“ über den Holocaust zu reflektieren.
Boder hat seine grundlegenden Quellen d. h. die Transkripte seiner Interviews zur Veröffentlichung in seinem ersten Buch überarbeitet. Die interaktive Version enthält einen PDF-Auszug aus seinem Buch. Bei der Lektüre von Büchern mit textgebundenen Darstellungen eines gesprochenen Interviews, das von der deutschen in die englische Sprache übersetzt wurde, sind potenzielle Abänderungen zu bedenken. In dieser Aufgabe soll aufgezeigt werden, wie sich eine Quelle, d. h. eine Audioaufnahme, nach Maßgabe der jeweiligen Eigenschaften des Mediums in verschiedenen Formen darstellen lässt. Sie vergleichen das Interview, so wie es 1948 im Buch veröffentlicht wurde, mit der 2009 geschaffenen digitalen Online-Darstellung.
Im Verlauf seines Lebens hat David Boder erkannt, wie sich die Möglichkeiten zur Reproduktion von Texten und Bildern immer weiter steigerten. Neben dem Mimeografen nutzte Boder auch Mikrokarten, um seine Transkripte an verschiedene Universitäten und Forschungsinstitute weiterzuleiten. Mit dieser Aufgabe soll ein Verständnis dafür entwickelt werden, wie die Einführung von Kommunikationstechnologien die Möglichkeiten des Menschen zur Verbreitung von Nachrichten erweiterten. Reduzierte Kosten und leicht zu verwaltende Protokolle implizieren, dass Laien, die sich nicht mit Drucktechnologie auskennen, ihre Arbeiten nunmehr verbreiten können.
Die Liste der Universitäten und Forschungsinstitute, die eine Kopie von David Boders Transkripten erhalten haben, zeigt die Orte, die er als wichtige Wissenszentren betrachtete, die von seiner Arbeit profitieren könnten. Heute ist das Erbe, das er uns hinterlassen hat, auf einer begrenzte Anzahl von Instituten begrenzt, die sich hauptsächlich in den USA befinden. Diese Aufgabe soll Boders Bemühungen, sein Werk zu verbreiten, mit der aktuellen geografischen Verteilung von Instituten, die einen Teil seines Erbes bewahren, in Beziehung setzen.
Sie müssen in dieser Aufgabe eine Karte erstellen und die Orte der Institute markieren, die einen Teil seines Erbes verwahren. Zudem klären Sie anhand von Recherchen, wie digitale Kommunikationstechnologien verwendet werden, um einen Online-Zugang zu Boders Arbeit herzustellen.
Die 2005 über die Presse verbreiteten Aussagen des iranischen Präsidenten Ahmadinejad sollen maßgeblich zur Mobilisierung von Ressourcen beigetragen haben, um das gesamte Werk Boders online zu veröffentlichen. Aussagen, die den Holocaust infrage stellen, zogen verständlicherweise heftige und emotionale Debatten nach sich. Dessen ungeachtet sollten alle in der Presse veröffentlichten Aussagen unabhängig vom Medium einer sorgfältigen Quellenkritik unterzogen werden. Dies gilt für Historiker genauso wie für Journalisten.
Diese Aufgabe soll Studierenden bei der Identifizierung der Quellen helfen, auf denen die Nachrichten zur Holocaust-Leugnung Ahmadinejads beruhten. Außerdem sollen die Studierenden lernen, wie sich diese Nachricht verbreitete, und untersuchen, wie sie von der internationalen Presse dargestellt wurde.
1946 wurde die damals erst 15-jährige Edith Zierer im Pariser Waisenhaus für vertriebene jüdische Kinder, Bellevue, von David Boder interviewt. Das Interview wurde in deutscher Sprache durchgeführt. 57 Jahre später, d. h. im Juni 2003, wurde sie erneut von einem Mitarbeiter des United States Holocaust Memorial Museum in hebräischer Sprache befragt. Ziel dieser Übung ist es zu zeigen, wie sich die Erzählung über ein und dasselbe Thema, d. h. die Erfahrung im onzentrationslager und ihre Auswirkungen auf das Leben, im Laufe der Zeit verändert und maßgeblich vom Alter und Status des Interviewers und des Befragten abhängig ist. Vergleichen Sie die Merkmale des Interviews von 1946 mit jenen aus dem Interview von 2003.